„Eine dauerhafte Liebesbeziehung braucht die Fähigkeit beider Partner,
den anderen so zu sehen und zu akzeptieren, wie er wirklich ist.“ 

Theo Fischer

Die heutige Art und Weise, wie Menschen in unserer westlichen Gesellschaft zusammenleben und sich entfremden, wirft einige Fragen auf:
Ist es Zufall oder Schicksal, dass einige Menschen eine sehr stimmige Beziehung führen; und andere in einer Partnerschaft verwickelt sind, die unzufriedenstellend ist?
Welche Faktoren sind für eine Liebesbeziehung ausschlaggebend, und was hat dies mit individuellem Selbstbewusstsein und mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun?
Wird Beziehungslosigkeit und vielleicht sogar Vereinsamung zur neuen Normalität werden, und werden bald glückliche und langjährige Partnerschaften die Ausnahme bilden?

In den letzten zwei Männer-Retreats , die ich geleitet habe, wurde die Frage gestellt, wie lange jemand schon in einer glücklichen Beziehung lebt. Und ich war doch erstaunt, dass ich zu den ganz wenigen Männern gehörte, die zwanzig durchgehende monogame Beziehungsjahre gelebt, geliebt und gemeistert haben.
Wenn ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis so umhöre, dann fällt mir auf, dass sich nicht wenige Menschen in einer von zwei Situationen befinden:
1) Sie leben in keiner Beziehung, aber wünschen sich eine.
2) Sie leben in einer Beziehung, die nicht zufriedenstellend ist.

Beziehungs-Fakten

Zunächst möchte ich auf ein paar interessante Statistiken eingehen.
Die meisten Singles, die in Deutschland ein Drittel der Erwachsenen ausmachen, sind mit ihrem Nicht-Beziehungs-Status durchaus zufrieden … was ich aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen kann. Punkto Beziehungsleben heißt es in einem National Geographic Artikel aus dem Jahre 2024: „Weniger als die Hälfte der Paare in Deutschland sind rundum glücklich. Etwa jede dritte Ehe in Deutschland wird irgendwann geschieden.“ Und ein bisher unbekanntes Phänomen in der Menschheitsgeschichte ist: „Mit dem Partner in einem gemeinsamen Haushalt wohnen – dazu entscheiden sich immer weniger Menschen in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2023 lebten nur noch 60 Prozent der Erwachsenen als Paare zusammen.“
Die Ehen, die in letzter Zeit geschieden wurden, haben im Durchschnitt 15 Jahre gehalten. Allerdings trennen sich die meisten Paare im ersten Jahr, und je länger sie zusammenleben, desto seltener trennen sie sich.

Fünf Phasen einer Partnerschaft

Zunächst geht es um die euphorische Verliebtheitsphase, die oft als die einzig erstrebenswerte Art des Beziehungslebens besungen, romantisiert und missverstanden wird … und dennoch höchstens 18 Monate andauert. In der darauffolgenden Bindungsphase wird die rosarote Brille abgelegt und erst dann kann ein wahrhaftes Sich-Kennenlernen stattfinden. Daraufhin folgt die kritische Phase der Desillusionierung und der Enttäuschung. Dabei kommt es u.a. auch zum „verflixten siebten Jahr“ und tatsächlich überleben die meisten Partnerschaften dies nicht. In der vierten Phase wird das Paar durch tiefe Verbundenheit und gegenseitiges Vertrauen belohnt. Beim letzten Abschnitt geht es in erster Linie um den Rückblick auf die miteinander verbrachten Jahre und um den endgültigen Abschied.

Meine persönlichen Beziehungserfahrungen

Meine erste „wirkliche“ Freundin hatte ich erst mit zwanzig, als ich auf einer Farm in Kalifornien lebte. Nach 18 intensiven Beziehungs- und Reise-Monaten war klar: Wir beide wollten und konnten uns keine gemeinsame Zukunft mehr vorstellen, weder in Amerika noch in Europa. Es kam zu einer respektvollen und liebevollen Trennung, ohne Enttäuschung und Streit.

Im Alter zwischen 22 und 36 – also in einer Lebensphase, in der man normalerweise Beziehungen mit allen Höhen und Tiefen ausprobiert und durchlebt und eventuell auch Kinder in die Welt setzt – entschied ich mich für ein Single-Dasein. Dies war in erster Linie von einem Dutzend zölibatären und asketischen Mönchsjahren geprägt. Nach dieser kaum vorstellbaren Lebensphase überhaupt noch beziehungsfähig zu sein, ist an sich schon ungewöhnlich. Und ich glaube sogar, dass ich dadurch sogar für eine Partnerschaft reifer wurde.

Es war in Sri Lanka, als nach der Tsunamikatastrophe Ende 2004 „zufällig“ eine deutsche Frau meinen Lebensweg gekreuzt hat. Weder war ich auf Partnersuche noch war es „Liebe auf den ersten Blick“. Erst nach Monaten, als wir gemeinsam in einem Ayurveda-Zentrum arbeiteten – sie als Managerin und ich als frisch gebackener Yogalehrer – kam es zu dem „Magic Moment of Love“. Auch wenn diese verzauberten Momente naturgemäß schon längst verklungen sind, hat sich die Liebe nicht verabschiedet, sondern nur verändert und vertieft.

Unser Beziehungs-Parameter

Was an unserer Beziehung von Anfang an ungewöhnlich war: Wir haben die ersten Jahre ganz intensiv zusammen in Asien verbracht. Wir haben gemeinsam gearbeitet, haben unter einfachsten Umständen zusammengelebt und sind miteinander viel gereist. Wenn man einen so langen Zeitraum auf engstem Raum miteinander verbringt, wird eine Beziehung besonders intensiv erlebt und automatisch auf Herz und Nieren geprüft. Auch wenn sich seit 2008 unser Lebensmittelpunkt in das Salzkammergut verlagert hat, verbringen wir nach wie vor einen beträchtlichen Teil des Jahres fernab der Heimat. Wie die Zugvögel zieht es uns im Herbst in wärmere Gefilde. Dabei sind wir nach wie vor mit dem reduzierten Leben in einer Ein-Zimmer-Wohnung oder im Camper zufrieden.

Einige unserer unterschiedlichen Charakterzüge und Prioritäten ergänzen sich wunderbar, andere beinhalten ein gewisses Konfliktpotenzial, die sowohl Würze und als auch Lebenslektionen in unsere Beziehung einfließen lassen. Damit zu dichtes „Aufeinanderhocken“ nicht Genervt-Sein, Langweile oder Abhängigkeit verursacht, nimmt sich jeder von uns kürzere oder längere „Beziehungs-Auszeiten“, hat individuelle Leidenschaften und eigene Freunde.

Als Beziehungs-Parameter gilt für uns: Solange wir wirklich respektvoll miteinander umgehen, solange wir so vertraut nebeneinander einschlafen und aufwachen und solange wir gemeinsam Krisen meistern und über uns lachen können, wissen wir, dass unser Zusammenleben von einem ungewöhnlichen Glück und einer vertrauensvollen Zuversicht getragen ist.

5 wesentliche Beziehungs-Qualitäten

Inspiriert durch ein Post von RPP möchte ich im nächsten Abschnitt aufzeigen, dass so eine langjährig gelungene Beziehung weder Zufall noch Selbstverständlichkeit ist, sondern in erster Linie durch Bewusstsein und Reife gelingt.

1. Respekt

Respekt ist die Grundlage jeglicher Beziehung. Es ist auch die Voraussetzung, dass wir mit jedem Menschen mehr oder weniger gut zurechtkommen oder zumindest nicht in einen Konflikt geraten sollten, egal wie unterschiedlich Prinzipien, Moral oder Politikverständnis sind. Die gesellschaftliche Tendenz zur Intoleranz spiegelt wider, dass Respektlosigkeit auch unter Freunden, Bekannten und in Partnerschaften am Zunehmen ist. Und die Ursache dafür liegt meines Erachtens darin, dass wir unseren ganz persönlichen Wahrheiten – speziell den unangenehmen und ungeschminkten – mit immer weniger Geduld, Liebe und Mut begegnen.

Wenn ich mich selbst wertschätzen und meinem Leben einen tieferen Sinn verleihe, dann fühle ich mich nicht nur in mir wohl, sondern ich gehe auch mit der Umwelt und mit jedem, dem ich auf meinen Lebenswegen begegne, respektvoll und achtsam um.

2. Gemeinsame Werte

Die Voraussetzung, um in einer Partnerschaft gemeinsame Werte überhaupt kultivieren und leben zu können besteht darin, dass wir wissen, was uns selbst im Leben wirklich wichtig und wertvoll ist. Um dies zu entdecken, braucht es allerdings Zeiten des Alleinsein und der Muße, denn wir können in der Alltagsroutine, im Arbeitsstress und im medialen Getöse diese feinen Qualitäten nicht entdecken.

Je bewusster und bedeutungsvoller die Werte von jedem einzelnen in einer Partnerschaft sind, umso mehr beflügeln sie die Beziehung – wie ein starkes und ausbalanciertes Paar Flügel. So können auch schwierige Krisen gemeistert und wertvolle Visionen verwirklicht werden, sowohl auf weltlicher als auch auf spiritueller Ebene.

Realisiert man nach der ver-rückten Verliebtheitsphase, dass es doch kaum verbindende Werte gibt, dann stellt sich die ganze Beziehung in Frage … außer man gibt sich mit wertlosen Äußerlichkeiten zufrieden und lässt das schlummernde Lebenspotenzial verwelken.

3. Stimmige Kommunikation

Respektvoller und wahrhaftiger Austausch ist das Alpha & Omega jeder Partnerschaft. Und das ist nur möglich, wenn wir mit uns selbst respektvoll und wahrhaftig umgehen. Dazu gehören auch der Mut und die Fähigkeit, unangenehme und unschöne Dinge ansprechen und anhören zu können, die jede Beziehung naturgemäß mit sich bringt. Eine Partnerschaft wird dann flach und uninteressant, wenn problematische Themen blockiert oder unter den Teppich gekehrt werden.

Besonders spirituelle und fromme Menschen haben eine Tendenz, Auseinandersetzungen und die damit verbundenen negativen Emotionen zu umschiffen. Dazu schreibt Theo Fischer:
„Die Vermeidung von Streit ist kein Mittel, eine Liebe zu bewahren. Wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, dann ist es besser, sie wie die Entladung eines Gewitters auszutragen und die Atmosphäre zu reinigen, als ständig den Gekränkten zu spielen und seine Emotionen zu unterdrücken.“

Ein einfacher Parameter, wie weit meine Beziehung noch stimmig ist, lautet: Beobachte, wie groß dein Bedürfnis wirklich ist, deinem Partner etwas Wichtiges mitzuteilen; und wie groß deine Neugier ist zu hören, was deinem Partner wichtig ist.

Gerade in einer Partnerschaft sollten wir uns immer wieder bewusstwerden, dass nonverbale Kommunikation ein wesentlicher Aspekt der menschlichen Interaktion ist, der über gesprochene Worte hinausgeht. Dabei werden Mimik, Körpersprache, Gestik und Tonfall eingesetzt, um Botschaften und Emotionen zu vermitteln. Das Verstehen nonverbaler Hinweise kann unsere Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren, erheblich verbessern, da sie oft mehr über die wahren Gedanken und Gefühle einer Person verraten als ihre verbalen Aussagen allein.“

4. Gemeinsam Zeit verbringen

Wenn Arbeit, Alltag und Kinder (zu) viel Zeit in Anspruch nehmen, ist es in einer Partnerschaft essenziell, sich besondere Zeiträume zu schaffen, die man bewusst und ausschließlich miteinander verbringt. Wenn diese nicht regelmäßig stattfinden, kann es passieren, dass sich – still und heimlich – eine Entfremdung in die Beziehung einschleicht. Und eines Tages sitzt man einem Fremden gegenüber, den man weder versteht noch sympathisch findet.
Da die Digitalisierung auch im Beziehungsleben angekommen ist, sind Fernbeziehungen stark am Zunehmen. Allerdings kann kein virtuelles Zusammensein die tatsächliche körperliche Begegnung ersetzen, bei der man den anderen in persona mit allen Sinnen wahrnimmt; denn nur dann kann ein ganzheitliches Erleben und natürliches Verschmelzen stattfinden.

Im folgenden Zitat geht Theo Fischer auf einen wesentlichen Aspekt ein, der in Liebesbeziehungen oft übersehen oder missverstanden wird:
„Ich darf dem Menschen, den ich liebe, sein Unbekanntes, Geheimnisvolles, noch nicht Erschlossenes nicht wegnehmen. Ich sollte lieber überlegen, wie ich unser Zusammenleben so gestalten kann, dass jeder von uns sich ein hohes Maß an Entfaltungsmöglichkeiten seine Originalität und sein kreatives Potenzial bewahrt. Unter diesen Prämissen wird unsere Liebe frisch und prickelnd bleiben wie am ersten Tag.“

5. Unabhängigkeit

Eine Beziehung wird sich nicht zu ihrem vollen Potenzial entwickeln können, wenn nicht jeder auch für sich unabhängig und selbstbewusst leben kann. In einer Partnerschaft soll jeder die Möglichkeit haben, seinen Visionen nachzugehen, sein individuelles Potenzial zu entfalten und seinen eigenen Freundeskreis zu pflegen. Denn wenn die Grundlage tatsächlich Symbiose und Vertrauen ist, dann kann jede individuelle erfüllende Erfahrung zu einer Bereicherung für beide werden.

Je mehr man sich verbunden fühlt, umso eher kann man sich Beziehungs-Auszeiten gönnen, ohne dass Rechtfertigung oder schlechtes Gewissen dazwischen grätschen. Interessant wird es, wenn beispielsweise ein Partner tiefer in die geistigen und undefinierbaren Welten der Spiritualität und Esoterik eintaucht; der andere aber weiterhin von der materiellen und weltlichen Logik und Sicherheit überzeugt ist. Dann kann es passieren, dass sich die innerlich getrennten Wege auch im Außen trennen.

Selbstbewusste Unabhängigkeit ist in einer Beziehung deswegen notwendig, weil wir uns alle irgendwie bewusst sind, dass es früher oder später ein Leben jenseits jeder Partnerschaft geben wird. Sei es, weil es irgendwann doch stimmiger ist, sich vom Partner zu trennen oder weil irgendwann einmal der Tod für eine endgültig Trennung sorgen wird. Diese tiefsitzende unbewusste Angst kann sich nur durch eine bewusste Selbstständigkeit auflösen. Nur so ist es möglich in Dankbarkeit und Wertschätzung zusammen zu leben und dennoch ungebunden und gelassen zu bleiben.

Conclusio

Beziehungen reifen erst mit den zusammen verbrachten Jahren und den gemeinsam erlebten Höhen und Tiefen. Dabei ist eine der besten Voraussetzungen: Beide Partner kommen im Leben alleine gut zurecht, sie haben sich dennoch bewusst dafür entschieden, das Leben miteinander zu verbringen. Und wenn die partnerschaftliche Beziehung und die individuelle Freiheit in einem stimmigen Verhältnis stehen, dann ist dies ein wertvoller und wunderbarer Schlüssel, den wir zu einem glücklichen und zufriedenen Leben in unseren Händen halten.