Zufriedenheit durch Verzicht wird mir am deutlichsten vor Augen geführt, wenn ich mich für ein paar Tage auf jene Almhütte zurückziehe, die ich seit 30 Jahren für meine ganz persönlichen Retreats verwende. Dieser Platz hat einst dazu beigetragen, meinen Mönchsweg einzuschlagen; und – 12 Jahre später – hat er mich immer wieder in eine innere Balance gebracht, wenn mich das weltliche Lebens aus der Bahn geworfen hat. Diese uralten Gemäuer – mit ihrer einfachen Einrichtung und alten Öfen, ohne Strom, Fließwasser und Handyempfang – kennen mich und meine Themen besser als die meisten Menschen in meiner Umgebung.

Erst in so einem abgeschiedenen Ambiente wird mir wieder bewusst, wie wenig es eigentlich braucht, damit sich ein Gefühl von angenehmer Entschleunigung und unspektakulärer Präsenz einstellt und einige psychosomatische Alarmlämpchen wieder ausgehen. Notwendige Lebensaufgaben werden dann zur meditativen Betätigung: Waschen am Brunnen und Benutzung des Plumpsklos, Holzhacken und Feuermachen, Kochen und Essen, Einschlafen und Aufwachen. Gewohntes und Bekanntes wird zum Besonderen: den Kühen beim Grasen und den Wolken beim Ziehen zuschauen, Wetterstimmungen und Dämmerung erwartungslos beobachten, Lesen, Reflektieren, Meditieren, Spaziergehen – ohne ein Ziel zu haben und einfach sein, mit dem was ist.

Dieser Luxus wird mir bewusster, wenn anderes wegfällt und der Lebensstrom ruhiger, zufriedener und selbstverständlicher fließt. Was zählt, ist der unmittelbare Moment, den ich weder verstehen, noch bewerten muss. Die Vergangenheit verliert ihre Kraft und die Zukunft wird als bloßes Hirngespinst leichter durchschaut. Die Welt wird zu dem, was ich in diesem Moment über die Sinne wahrnehme, und ist nicht mehr von trivialen Social-Media-Einträgen und komplexen Nachrichten bestimmt.

Ich kenne mittlerweile einige Menschen, die sich wegen der derzeitigen Weltpolitik und den sich überschlagenden „breaking news“ deprimiert fühlen. Denn über die positiven und undramatischen Veränderungen, die zwar leiser – aber doch überall – stattfinden, wird nicht berichtet. Ganz nach dem Motto des tibetischen Sprichwortes: „Der fallende Baum macht Krach, aber der Wald wächst lautlos!“

Aber zwingt uns irgendwer, tagtäglich den politischen Wahnsinn zu verfolgen und macht dieses Wissen tatsächlich weiser und die Menschheit humaner? Vielleicht steckt hinter dieser Gewohnheit sogar eine persönliche Vernebelungstaktik, um eigene Baustellen zu überdecken?
Wie viel müssen wir tatsächlich über das Leben und Weltgeschehen wissen, um mit sich und der Umwelt in Harmonie zu leben? Und wie sinnvoll und heilsam ist es, zwar weltpolitisch am letzten Stand zu sein, aber dabei die eigenen, neuesten Gefühlsnuancen zu übersehen?
Müssen wir jedem weltlichen und spirituellen Trend nachlaufen, getrieben von einer unbewussten Angst, irgendetwas zu versäumen oder von anderen nicht gesehen zu werden?
Ist es mir möglich, eine Woche lang ohne Facebook-„Freunde“ und „Likes“ auszukommen? Und wie geht es mir dabei, wieder mehr mich selber und jene Menschen wahrzunehmen, denen ich tatsächlich von Angesicht zu Angesicht bildschirmlos begegne?
Wie viel Grundvertrauen ist in mir und erkenne ich, dass ich (karmisch gesehen) eigentlich immer am richtigen Platz, zur richtigen Zeit bin? Denn es ist nur mein Ego, das sich in der Dualität von gut & schlecht, richtig & falsch verstrickt.

Auch wenn FOMO (Fear of Missing Out) voll im Trend liegt und als die erste Social-Media-Krankheit bezeichnet wird, gibt es eine Gegenbewegung, die wesentlich unspektakulärer und gesünder ist: JOMO (Joy of Missing Out). Erst durch achtsamen Minimalismus und bewusstes Versäumnis kommt ein bedingungsloses Glück auf, das man sich weder erkaufen noch erklicken kann. Dadurch wird klar, wie Zufriedenheit durch Verzicht möglich ist.

Robert Adams hat in seiner ungeschminkten und nicht-dualistischen Art einmal gesagt: „Um zu erkennen, wie spirituell fortgeschritten du bist, wirf einen Blick auf dein Leben und schau, wie gelangweilt du bist. Wenn du glaubst, dass du etwas tun oder wohin gehen musst; wenn du denkst, dass Zeit etwas Essentielles ist, und das du etwas im Leben erreichen musst, dann machst du kaum spirituellen Fortschritt. Denn in Wahrheit gibt es nichts zu tun, und trotzdem machst du alles, denn du bist alles. Du bist die Bäumen, Berge und Flüsse. Du bist die Babys, die geboren werden und die Menschen, die sterben. Es gibt nichts zu tun, außer zu beobachten. Beobachte weise und werde dir bewusst, dass alles das Selbst ist – und das bist du.“