„Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, daß man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muß für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Daß Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, daß Glück das „Billigste“ ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen.  Deshalb meinen sie, die Reichsten müssten auch die Glücklichsten sein.“

Erich Fromm

Wirtschaft und Spiritualität erscheinen eigentlich als Gegensätze. Dennoch hatte ich im Juni 2019 die Möglichkeit, bei der internationalen „Startup Executive Academy“ im Schloss Urstein bei Salzburg teilzunehmen. Dabei wurden 16 Entrepreneurs aus ganz Europa unterstützt, wie sie ihre einzigartigen Ideen und Projekte erfolgreich auf den Markt bringen können … eine große Herausforderung, denn 90 Prozent aller Startup-Projekte verlaufen im Sand.  Zu den Präsentatoren, die für diesen einmaligen Crash-Kurs aus der ganzen Welt eingeflogen wurden, gehörten führende Professoren u.a. aus Stanford, (ehemalige) Mitarbeiter globaler Firmen wie Google, Dolby & Co, Unternehmens-Gründer, Investoren und Manager, die u.a. Silicon Valley so gut wie ihre eigene Westentasche kennen. Ich hatte bis dahin keine Ahnung über business & growth und Fachbegriffe wie R&D, B2B2C, NDA, ZOPA, etc. Vieles klang für mich wahrscheinlich ähnlich fremdartig, als wenn man den Anwesenden Yoga-Philosophie mit Sanskrit-Worten erklärt hätte.

Spiritualität ohne Esoterik & Aerobic

Dabei war meine Aufgabe und Herausforderung, Meditation & Yoga in einer Art zu präsentieren, die weder zu esoterisch abgehoben, noch zu körperlich herausfordernd war. Ich versuchte die Brücke von Wirtschaft und Spiritualität zu bauen, indem ich bei Übungen und Worte wählte, die auch „Nerds“ verstehen konnten: Denn vielen von ihnen sind noch nie auf einer Yoga-Matte gestanden oder haben eine Meditations-Haltung eingenommen. Wie kann man Männer, die mit größter Leidenschaft IT-Programmen, Algorithmen und Charts nachgehen, auf den feinen Atem und die pulsierende Lebensenergie hinweisen; auf den Fluss von Gedanken und Gefühlen, und auf die unmittelbare Stille, wo Zeit und Raum keine Rolle mehr spielen?

Inner balance – healthy business

Mein Motto war dabei: „The best foundation for a healthy business is your inner balance.” Oder anders ausgedrückt: Was nützt dir das beste Geschäftsmodell, wenn du dabei zugrunde gehst. In den zahlreichen persönlichen Begegnungen wurde mir zunehmend klar, wie Stress, Unwohlsein und Burnout fast schon als „part of the business“ angesehen wird. Aber auch ein führender Professor für Management von Stanford hat darauf hingewiesen, dass Menschen mit positiver Lebenseinstellung 10 Jahre länger leben. Allerdings geht es mir im Unterricht nicht bloß um ein Wellnessfeeling. Denn innere Stille ist eigentlich erst das Sprungbrett zu tieferen, transpersonalen Erkenntnissen. Und manchmal braucht es tatsächlich nur ein paar bewusste Augenblicke und Atemzüge, damit sich der Schleier unserer gewohnten Denkmuster hebt und sich unmittelbare Leichtigkeit, Freude und Vertrauen einstellen.

Glück oder Erfolg

Abgesehen von der täglichen Morgen- und Vormittags-Session hielt ich einen zweistündigen Talk. Dabei war es mir wichtig, die Teilnehmer hinter ihren Schreibtischen, Laptops und Smartphones hervorzuholen, um ihnen direkt zu begegnen. Ich präsentierte keinen ausgeklügelten Powerpoint-Vortrag, sondern sprach einfach über mein einstiges asketisches Mönchsleben und über bewährte Faktoren im Leben, die jeder als Kompass für Zufriedenheit und Glück nützen kann. Als ich über Sattvaguna sprach, kam die berechtigte Frage auf, ob man mit so einer Lebenseinstellung erfolgreich sein kann. Um das zu beantworten, muss man sich wesentliche Lebensfragen stellen: „Was ist mir wichtiger: Erfolg oder Glück; Haben oder Sein; viel Geld am Konto oder viel Freude am Leben?“ …. und diese kann jeder nur für sich beantworten. Dabei muss man wohl den einen oder anderen schmerzhaften oder sogar folgenschweren Kompromiss eingehen.

Qualität, Minimalismus & Entschleunigung

Im Zusammenhang mit dem japanischen Konzept von „Ikigai“ ging ich auf jene vier Fragen ein, die als Spiegel für Lebenssinn gesehen werden: „Was liebe ich? Was kann ich gut? Wovon kann ich leben?“ und „Was braucht die Welt?“ Dabei geht es nicht um kurzfristige Befriedigung von indoktrinierten Konsumbedürfnissen, sondern darum, wie kann meine Lebensweise und mein Business zu mehr Lebensqualität und Gerechtigkeit beitragen. Dem noch immer kursierendem Wirtschaftscredo „more & faster = better“ stelle ich „Q.M.E.“ entgegen: Qualität, Minimalismus & Entschleunigung.

Small is beautiful

Nach jedem Fachvortrag im Schloss Urstein wurde mir klarer, wie komplex wirtschaftliche Zusammenhänge sind, die mit zunehmender Größe umso komplizierter werden. Nicht zufällig nannte ich meine ersten soziale Projekte in Sri Lanka „Simple Wisdom“, denn ich erkannte, dass man als kleine einfache Organisation oft sehr flexibel und den Umständen entsprechend effizient agieren konnte. Seitdem ich vor 15 Jahre meinen Lebensunterhalt durch Yoga- und Meditationsunterricht zu verdiene (ich tauschte quasi Almosenschale gegen Yogamatte ; ) , ist mir Unabhängigkeit mindestens so wichtig wie Einkommen. Diese Freiheit ermöglicht mir u.a. jeden Winter eine erholsame und inspirierende Auszeit in Asien. Wenn ich dann höre, wie viele Probleme die Abhängigkeit von Geschäftspartnern, Angestellten, Vorständen, Shareholders, Investoren, etc. mit sich bringen, dann stimmt mein Geschäftssinn am ehesten mit dem zukunftweisenden Motto des Ökonomen Leopold Kohr überein: Small is beautiful!

Wahrhaftigkeit

Interessant fand ich, als ein angesehener Geschäftsmann Trump als den dümmsten Dealmaker nannte, und Mahatma Gandhi als den genialsten, denn es gelang ihm, Indien in die Unabhängigkeit zu führen. Außerdem wurde mir klar, wie viel sich einige yogische Meister mit ihren luftigen Heilsversprechen von erfahrenen Geschäftsleuten abschauen können, die Wahrhaftigkeit als einen wesentlichen Baustein für ein erfolgreiches Business sehen. Klare Statements, belegbare Fakten und stichhaltige Argumente sind dabei genauso wichtig, wie einen ersten und letzten guten Eindruck bei Kunden und Geschäftspartnern zu hinterlassen. Dies gilt für weltliche Geschäfte genauso, wie für spirituelle Berufe; denn niemand kann – auch beim besten Willen – von Luft & Liebe leben.

Emotional intelligence

Es ist erstaunlich, dass auch in der „hard-fact-based economy“ 80 Prozent der Entscheidungen intuitiv getroffen werden. Ohne „Emotionale Intelligenz“ kann kein Business längerfristig erfolgreich sein. Da ich seit diesem Seminar mein eigenes Mini-Business und die gigantische Wirtschaftswelt mit etwas anderen Augen sehe, werde ich künftig bewusster Veranstaltungen planen, Newsletter schreiben und Teilnehmer begegnen. Trotz der beeindruckenden Vielfalt von Präsentatoren und Entrepreneurs fanden Themen wie Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Zukunft relativ wenig Beachtung.

Retrospektiv bin ich sehr dankbar, dass ich fünf Tage lang Wirtschaft und Spiritualität miteinander verbinden und in diesem gewaltigen Wirtschaftsmeer ein wenig mitschwimmen durfte. Schlussendlich liegt es an jedem von uns, in wie weit wir unsere spirituelle und wirtschaftliche Einstellung so in Harmonie bringen, dass unser Leben und unser Planet lebenswerter werden.