Sonntag, 06 Januar 2019 09:19

Ikigai u. 5 Regeln zum Glück (Teil 1)

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leuchturm formenteraFolgende fünf Empfehlungen (und weitere fünf folgen demnächst : ) stammen aus dem Buch „Ikigai – gesund und glücklich hundert werden“. Sie beinhalten die Lebensweisheiten von Ogimi, einem Dorf auf der japanischen Insel Okinawa, in dem die Bewohner älter werden, als an irgendeinem anderen Ort auf diesem Planeten.

Lebensempfehlungen von glücklichen alten Menschen

Ich möchte auf diese Punkte nicht nur theoretisch eingehen, sondern auch meine persönlichen Erfahrungen mit einfließen lassen.

1) Bleibe aktiv
2) Bewahre die Ruhe
3) Überiss dich nicht
4) Umgebe dich mit guten Freunden
5) Halte dich fit

Das japanische „Igikai“ findet sich im westlichen Begriff „Lebenssinn“ wieder und im yogischen und buddhistischen Ausdruck von „Dharma“. Es ist der Grund warum man morgens mit Freude und Energie aufsteht und verbindet die vier essentiellen Lebensfrage:
• Was liebe ich?
• Was kann ich gut?
• Was braucht die Welt und die Menschheit?
• Von was kann ich leben?

Aus den vier Lebensfragen des Ikigai entstehen ganz natürlich die vier zufriedenstellende Qualitäten von Leidenschaft, Aufgabe, Beruf und Berufung.

1) + 2) Bleibe aktiv und bewahre die Ruhe

Diese zwei scheinbaren Gegensätze sollten ineinander fließen und sich ergänzen. Wenn wir uns zu sehr in dem Extrem von Stress und Überaktivität verwickeln und verbeißen („Raja-Guna“), dann schlägt irgendwann Körper & Geist zurück, und wir landen unfreiwillig in einem Zustand von Erschöpfung oder gar Burnout („Tamas“). Die Kunst ist, die unterschiedlichen Rhythmen des Tages, der Jahreszeiten und der Lebensphasen zu spüren, zu respektieren und mit ihnen zu schwingen; in der Aktion die Ruhe bewahren und in der Ruhe eine lebendige Wachheit.

Dieser ausgeglichene Lebensrhythmus ist nicht starr, sondern - wie Wasser – manchmal mehr und manchmal weniger in Bewegung. Zu bestimmten Zeiten muss man aktiv in die Gegenrichtung steuern, und unter anderen Umständen muss man sich passiv dem Leben überlassen, um wieder in Balance und zu sich zu kommen und sich neu zu entdecken oder „erfinden“. Phasen der intensiven Herausforderung sind dabei genauso wichtig, wie Zeiten des Innehaltens. Tagtäglich haben wir die Chance, diese Ausgeglichenheit beim Einschlafen und Aufwachen zu finden, bei den nötigen Alltagsbeschäftigungen und beim Essen, bei der Arbeit und in der Freizeit, mit der Familie und bei der spirituellen Praxis, in Gesellschaft und ganz alleine.

Jeden Winter nehmen meine Frau und ich uns eine viermonatige Auszeit vom Unterrichten … die meisten Wochen davon in Asien. Allerdings sind auch diese - von beruflichen Terminen kaum eingeschränkten Tage - meistens von einem klaren Work-Life-Spirit-Rhythmus durchzogen. Erst durch diese selbstauferlegte „Disziplin“ in der Fremde entstehen Muße und neue Lebensinspirationen. Diese Tage geben uns aber auch die Möglichkeit, jene Themen und Aufgaben zu verdauen und zu lösen, die der Alltagsstress überlagert oder verrückt hat; und sie schenken uns die Zeit, jene Bücher zu lesen und Filme zu schauen, für die es - beim besten Willen – zu Hause keine Möglichkeit gab.

3) Überiss dich nicht

Das ist jene Ernährungsempfehlung, die sich durch alle Gesundheitstraditionen auf allen Kontinenten durchzieht. Deswegen ist es auch nicht weiter verwunderlich (aber dennoch wenig bekannt), dass es im wichtigsten Hathayoga-Text heisst: „Die maßvolle Ernährung ist unter den Yamas (Disziplinen) die Wichtigste.“ (Hathayoga-Pradipika, 1,40)

Trotz all der wissenschaftlichen und spirituellen Hinweise, der gespürten Erfahrung und einer Ernährungsspezialistin als Frau, findet mein innerer Schweinhund immer wieder gute Gründe, das Besteck nicht beiseite zu legen. Vielleicht hängt es auch noch mit jener Zeit meiner mönchischen Askese zusammen, als Unterernährung keine Wahl - sondern ein Muss - war.

4) Umgebe dich mit guten Freunden

Der Begriff „Kalyāṇamitta“ bedeutet in Pali „vorzüglicher Freund" oder Lehrer und wird von Buddha als der wichtigste äußere Umstand für eine gute Entwicklung gesehen. Ein guter Freund (oder Freund) sollte in erster Linie ein „Spiegelhalter“ sein, damit ich mich und meine Themen und Probleme klarer und unvoreingenommener sehen kann. Offenheit, Vertrauen und Selbstreflexion können mir somit persönliche Lösungen präsentieren, die nicht von außen aufoktroyiert wurden.

Da die Rolle eines guten Freundes möglichst unbefangen sein sollte, kann diese weder von deinem Lebenspartner, noch von irgendeinem Familienmitglied eingenommen werden. Und da ein regelmäßiger Austausch in persona essentiell ist (und dies weder Facebook noch Skype bieten kann), habe ich vor über sechs Jahren eine Männer-Gruppe gegründet. Diese monatlichen Treffen sind mir so ans Herz gewachsen, dass sie in meinem Terminkalender höchste Priorität haben.

5) Halte dich fit

Damit ist zunächst die körperliche Fitness gemeint, aber die geistige sollte dabei ebenfalls mithinein fließen. Interessanterweise werden nicht jene Menschen glück alt, die ehrgeizig viel Sport (oder Yoga) betreiben. Es sind jene, die wenige Übungen regelmäßig machen, und im Alltag sich auf ganz natürliche Weise bewegen (und nicht stundenlang vor einem Bildschirm sitzen), wie zum Beispiel entspanntes Spaziergehen, Gartenarbeit, Radfahren, Tanzen, etc.

Wie fit man körperlich und geistig ist, kann man ganz einfach daran erkennen, wie viel Resilienz man bei körperlicher Anstrengung und mentalen Stress aufweisen kann; d.h. wie schnell man wieder in seine psychosomatische Mitte zurückschwingt, oder wie lange man in einer Erschöpfung stecken bleibt.

Bezüglich körperlichen Fitness bin ich in meinen Lebensabschnitten durch verschiedensten Phasen gegangen. Als Jugendlicher war ich körperlich mehr oder weniger aktiv, aber ohne einer regelmäßigen Routine. Als buddhistischer Mönch ignorierte ich die natürlichen Bedürfnisse des Körpers solange, bis ich ernsthaft krank wurde und schließlich mit Hathayoga in Kontakt kam. Daraufhin kam meine extreme Asana-Phase von zwei bis drei intensiven Workout-Stunden pro Tag, die mit viel Ehrgeiz und entsprechenden Verletzungen verbunden war.

Jetzt mache ich regelmäßig ein paar einfach Körper- und Atem-Übungen, die sich gut anfühlen und meine ganz persönlichen Themen ansprechen; aber nichts, wo sich das Ego aufblasen kann und dennoch gut genug, um mich in meiner Haut wohl zu fühlen.

(Hier geht es zu den nächsten fünf Lebensregeln : )

PS: Das Foto zeigt den Leuchturm am südlichsten Punkt von Formenterra.

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