Mittwoch, 14 Oktober 2020 13:55

Yoga-Retreat und Rückzug

geschrieben von
Artikel bewerten
(1 Stimme)

Yoga RetreatEin Interview mit Verena Arnold für ProntoPro
Frage 1: Florian, seit wann übst du Yoga?
Vorweg möchte ich betonen, dass „Yoga“ ein Begriff ist, der im Westen oft zu eng und einseitig verstanden wird. Ich selber verstehe unter Yoga nicht nur eine physische Praxis (Asanas), sondern es beinhaltet auch energetische Übungen (Pranayama), Meditation und den philosophischen und transpersonalen Aspekt (der eigentlich die Essenz des Yogas ist). Meditation praktiziere ich seit der Mittelschule, Hathayoga seit meinem 32. Lebensjahr.

Interview über den Sinn von Yoga und Retreats

Und wie kam es, dass du dich entschieden hast, Yogalehrer zu werden?
Als buddhistischer Mönch stand die geistige und meditative Praxis im Vordergrund, dabei wurde in meiner Mönchszeit keinerlei Wert auf körperliche Übungen gelegt. Dank meiner ersten australischen Yogalehrerin und meines ersten indischen Yogalehrers habe ich noch als Mönch damit begonnen, dieses Vakuum mit einer täglicher Hathayoga-Praxis zu füllen. Dabei entstand eine ganz natürliche psychosomatische Brücke zwischen den körperlichen und den meditativen Übungen.

Gibt es etwas, was du an Yoga besonders zu schätzen gelernt hast?
Beim Yoga schätze ich die vielen unterschiedlichen Zugänge und Facetten, bei denen es um Aspekte geht, die den Körper, die Lebensenergie, den Geist und das seelische Bewusstsein betreffen. Yoga bedeutet nicht nur einer Tradition oder einem Lehrer zu folgen, sondern er bietet auch die Freiheit, sich auf die eigene Intuition und auf persönliche Erkenntnisse zu vertrauen, um mehr Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit zu entfalten.

Frage 2: Was ist ein Yoga Retreat?

Yoga-Retreat bedeutet wörtlich „Rückzug“. Ursprünglich wurde der Begriff im militärischen Kontext verwendet. Im Zusammenhang mit Spiritualität bedeutet der Begriff, dass man sich von jenen notwendigen, intensiven und zuweilen stressigen Alltags-Faktoren wie Beruf und Familie zurückzieht, oder von den sowieso meist bedrückenden Weltnachrichten, um in einem stimmigen und ruhigen Ambiente wieder mehr bei sich anzukommen. Erst wenn wir eine innere Stille und Stimmigkeit erfahren, können wir wieder Kraft und Klarheit schöpfen und uns selber, anderen, dem Leben und der Umwelt interessiert, unvoreingenommen und liebevoll begegnen.

Worin liegt das Hauptziel bei der Einführung von einem Yoga Retreat?
Das Hauptziel besteht, meiner Meinung nach, darin, zwei Faktoren zu erkennen und zu transzendieren, die für eine wirkungsvolle Meditation und für ein erfülltes Leben und hinderlich sind: 1) Erschöpfung bzw. „Lebensmüdigkeit“. 2) Unruhe und Stress. Wenn das gelingt, dann entsteht ein meditativer Zustand, der Wachheit, Klarheit und Gelassenheit miteinander verbindet. Mit gezielten körperlichen, energetischen und mentalen Übungen ist dies tatsächlich auch für Menschen erfahrbar, die noch kaum Erfahrung mit Yoga oder Meditation gemacht haben.

Wie funktioniert effektives Training?
Effektives Training bedeutet für mich, dass es eine alltagstaugliche und anhaltende Wirkung zeigt. Die beste Voraussetzung dafür sind Offenheit, Neugier, Interesse und eventuell eine Not-wendigkeit. Anschließend geht es darum, sich auf bestimmte Übungen einzulassen, um herauszufinden, ob sie eine positive Wirkung hinterlassen. Einer der wesentlichen Erfolgs-Faktoren ist schließlich Disziplin und Geduld, um die erlernten Übungen regelmäßig zu wiederholen und zu vertiefen. Wenn sich danach ein spürbarer Erfolg oder eine tiefgreifende Erkenntnis zeigt, wirkt das automatisch als Inspirationsschub um weiterzumachen. Wenn sich trotz konsequenten Übens nichts zum Positiven verändert, dann sollte man sich nach einer anderen Praxis oder einem anderen Lehrer umsehen.

Frage 3: Welche Methoden verwendest du für Yoga am liebsten und warum?

Für mich ist die meditative Praxis das Alpha & Omega des Yoga. Aber die physische Praxis hat für mich aus gesundheitlichen Gründen ebenso einen wichtigen Stellenwert.

Wie würdest du deinen eigenen Yoga Stil beschreiben?
Es fällt mir schwer, meinen Yoga-Stil in Worte zu fassen. Es geht mir aber immer wieder darum, jene schon erwähnten Facetten des Yoga zu vertiefen und miteinander zu verbinden: den körperlichen Aspekt, die Lebensenergie, die Meditation und, die Philosophie und das transpersonale Bewusstsein.

Was sind die wichtigsten Dinge, die du deinen Schülern mitgeben möchtest?
Wir selber haben den Schlüssel zu einem zufriedenen und glücklichen Leben in der Hand. Lehrer, Mitmenschen, Bücher, und die Umwelt können uns in unterschiedlichste Weise inspirieren, aber wir müssen selber dieses Wissen in die Praxis, ins Leben und in den Alltag umsetzten. Dabei geht es immer wieder um diesen einzigarten Augenblick, um diesen Lebensschritt, um diesen Tag. Wenn dabei die Absicht stimmt, dann wird sich auch das Ziel irgendwann einmal stimmig sein.

Frage 4: Kannst du sagen, was ein Yoga Retreat für dich persönlich bedeutet?

Die Zeit eines Retreats beinhaltet, , dass ich dabei berufliche, soziale und weltliche Verpflichtungen in der Hintergrund stelle. Dadurch kann ich mich bewusster meinen eigenen bekannten und unbekannten Bereichen in mir widmen. Aber es ist auch eine Zeit, um manchmal jenen Dingen nachzugehen, die mir Freude bereiten, aber im Alltag auf der Strecke bleiben.

Wem empfiehlst du Yoga Retreats besonders?
Yoga-Retreats machen Sinn, wenn man lernen will, wie man mit Unruhe, Stress, Erschöpfung, körperlichem und mentalem Unbehagen umgeht und sie hinter sich lässt (bei ernsthaften physischen oder psychischen Problemen sollten man aber unbedingt einen Arzt oder einen Therapeuten konsultieren). Auf einer tieferen spirituellen Ebene besteht dabei auch die Möglichkeit, über den persönlichen und alltäglichen Tellerrand zu blicken, um transpersonale und absolute Erfahrungen zu machen.

Was dürfen die Teilnehmenden erwarten?
Dies ergibt sich hoffentlich aus all den zuvor gegebenen Antworten : )

Gelesen 1851 mal