Mittwoch, 24 Mai 2017 20:21

Yogalehrerausbildung u. Meditation

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YLA Medi BlogLetzte Woche hatte ich wieder einmal die Gelegenheit, bei einer Yogalehrerausbildung das Thema „Meditation“ den Teilnehmer*innen näher zu bringen. Unterschiedliche Yogalehrerausbildungen setzen zwar verschiedene Schwerpunkte, aber bei fast allen der unzähligen Angebote stehen der körperliche Aspekt und die Asanapraxis so sehr im Vordergrund, dass für Meditation, Pranayama und Philosophie kaum Entfaltungspotential besteht, - speziell dann nicht, wenn es sich um ein „fast-training“ mit 200-Stunden-Ausbildung handelt.

 

6 meditative Inspirationen für Yogalehrer*innen

Spätestens bei den Vorstellrunden der Teilnehmer*innen wurde vor Augen geführt, dass heutzutage Yoga kaum noch als Mittel gesehen wird, um Gedankenbewegungen zur Ruhe zu bringen (yogaś-citta-vṛtti-nirodhaḥ). Und wenige wissen, dass ursprünglich mit Asana ein stabiler und angenehmer Meditationssitz (sthira-sukham-āsanam) gemeint war. Das ist eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn einerseits ist unser Lebensstil nicht mehr sehr körpergerecht und andererseits sind wir nun mal eine Vata-gestörte Gesellschaft, die zwischen Überaktivität (Rajas) und Erschöpfung (Tamas) rastlos hin und her pendelt. Viele haben verlernt, von Zeit zu Zeit bewusst innezuhalten und mit sich und der Welt in Frieden zu sein (Sattva).

Mir ist es daher ein großes Bedürfnis, angehenden Yogalehrer*innen nicht nur Meditations-Übungen auf ihrem spirituellen Weg mitzugeben, sondern auch folgende 6 Punkte, die sie beachten sollten, um Yoga-Mythen und Trends zu hinterfragen:

1)    Meditation bedeutet Bewusstsein und Gelassenheit zu entfalten. Multitasking wird zum Solotasking reduziert und die Sensibilität für Stressursachen geschärft: deswegen lasse ich Schüler*innen, die oft schon einen stressigen und reizüberfluteten Alltag hinter sich haben, am Anfang einer Yogasession einfach mal in Ruhe ankommen und beschalle sie während des Unterrichts nicht zusätzlich mit Musik.

2)    Authentizität und Bescheidenheit sind zwei weitere Qualitäten, die wir speziell durch die meditative Praxis entfalten. Ein Yogalehrer muss sich weder den Mantel eines Physiotherapeuten, noch den eines Psychologen anziehen. Yoga ist kein Allheilmittel und daher ist es verantwortungsvoll, problematische Themen den dafür ausgebildeten Profis zu überlassen. Übrigens sind auch Yogalehrer*innen, die u.a. nicht gelernt haben, durch Meditation ein inneres Gleichgewicht herzustellen,

3)    Durch die Meditation werden wir feinfühliger gegenüber unserem Dharma (Lebenssinn) und unseren tiefsten Herzenswünschen, die im Leben und im Yoga nicht unbedingt mit Tradition und Trends übereinstimmen.

4)    Die Gunas als meditativer Kompass für die Yogapraxis und fürs Leben sind ein so einfaches, geniales und zeitloses Tool der Veden für die Gegenwart. Jeder kann dadurch selber herausfinden, ob die Art, wie wir Yoga verstehen, umsetzen und unterrichten tatsächlich Tamas und Rajas reduziert und Sattva zur Entfaltung bringt.

5)    Da es zum Glück immer mehr Praktizierende gibt, die Meditation als unersetzlichen Bestandteil des Yoga sehen, kann es nur von Vorteil sein, wenn man sich als Yogalehrer*in diesbezüglich zumindest eine grundsätzliche Erfahrung aneignet.

6)    Und schließlich sollten wir als Yogapraktizierende und -lehrer*innen nicht vergessen, dass es im Yoga nicht nur um die physischen und psychischen Ebenen geht, sondern auch – oder vor Allem – um die absolute Realität.

Aadil Palkivala, einer meiner besten Yogalehrer, schreibt in seinem genialen Buch „Fire of Love: For Teachers of Yoga and Students of Life“: “Sei dir immer bewusst, dass der Körper nur ein temporäres Phänomen ist, ein Leihobjekt der materiellen Welt. Der Grund für die Yogapraxis besteht darin, jenes zu umfassen, was permanent ist – das höhere Selbst oder Atman. Mach deine Praxis zu einem Ausdruck des Göttlichen in dir, und beobachte alles was du machst in einer distanzierten Weise und mit einem inneren Lächeln.“

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