„Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
Entspringen reinem Geist dein Wort und deine Taten,
folgt die Freude dir nach, unfehlbar wie dein Schatten.“
Der Buddha, Dhammapada 2
Die Inspiration zu den unten ausgeführten acht Grundlagen der Freude kommt von dem Buch „Das Buch der Freude“, welches die inspirierenden Gespräche vom Dalai Lama mit Desmond Tutu zu dieser Thematik wiedergibt.
Nicht nur in der profanen Finanzwelt wirst du erfolgreich sein, wenn du antizyklisch denkst und agierst: Sei mutig, wenn alle anderen ängstlich sind – sei vorsichtig, wenn alle anderen zuversichtlich sind! Auf ähnliche Weise ist es von großer Bedeutung und Bereicherung, vorherrschende Stimmungslagen immer wieder zu hinterfragen; speziell dann, wenn sie die ganze Familie, Gemeinschaft oder Gesellschaft tranceartig erfassen.
Der yogische und spirituelle Weg stellt mir Werkzeuge zur Verfügung, mit denen ich mich bewusst aus den weltlichen Verstrickungen herausnehmen kann, um die menschlichen Höhen und Tiefen aus einer gelassenen und klaren Metaebene zu betrachten, zu relativieren und schlussendlich auch zu transzendieren. Erst dadurch können eine feinere Erfahrung und eine tiefere Verbundenheit zur inneren Freude und zur äußeren Welt entstehen.
Glück und Freude
„Freude ist das Ergebnis meines inneren Friedens und meiner Zufriedenheit, während das Glück das Ergebnis einer äußeren Kraft ist, die mich glücklich oder zufrieden macht. […] Im Gegensatz zum Glück kommt die Freude also von innen heraus.“
Matthieu Ricard unterscheidet drei überschwängliche Arten von Freude: begeisterte Anteilnahme am Glück von anderen, Entzücken und die strahlende Freude spiritueller Verwirklichung.
Die ersten vier Grundlagen der Freude sind Geisteshaltungen: Blickwinkel, Bescheidenheit, Humor, Akzeptanz.
Die zweiten vier betreffen Eigenschaften des Herzens: Vergebung, Dankbarkeit, Mitgefühl, Großzügigkeit.
1) Blickwinkel
Gerade in Krisen und problematischen Zeiten ist es essentiell, darauf zu achten, durch welche Brille ich persönliche und gesellschaftliche Themen betrachte und durch welche Informationsquellen diese gespeist werden. Gerade innerhalb des letzten Jahres wurde mir dabei klar vor Augen geführt, wie im virtuellen Zeitalter Medien entweder als Lebensmittel oder als Droge gebraucht und missbraucht werden, und wie diese dabei als Lebensmittel, Medizin oder Gift wirken. Denn jeder intellektuelle Input wirkt unmittelbar und unweigerlich auf meine Gemütsstimmung ein, auf meine Wahrheitsüberzeugung und auf meine Lebenseinstellung.
Daher habe ich beschlossen, eine reduzierte und bewusste mediale Schonkost zu mir zu nehmen. Diese digitale Reduktion, in Verbindung mit auserlesener Qualität und bereichernder Vielfalt, hat sich für meinen Geist, meine Seele und meinen Körper als sehr wohltuend herausgestellt. Selbstbewusstsein bedeutet, die volle Verantwortung für diese drei engsten Mitbewohner zu übernehmen. Es liegt nicht an den äußeren Umständen und an meinen Mitmenschen, sondern ausschließlich an mir und meiner Betrachtungsweise, ob sie meine besten Freunde sind und mir hilfsbereit und freudig zur Seite stehen, oder ob sie zu meinen gefürchtetsten Feinden werden.
„Wir leiden unter einer gewissen perspektivischen Kurzsichtigkeit und sehen unsere Erfahrungen nicht im größeren Rahmen. Schwierigen Situationen begegnen wir dann häufig mit Angst und Wut.“ Dalai Lama
2) Bescheidenheit
Das englische Wort „humility“ wird vom lateinischen „humus“ abgeleitet. Um zu wachsen, müssen wir immer wieder am Boden der Realität ankommen und manchmal sogar dort unangenehm aufschlagen. Das Buch „Zen Geist – Anfänger Geist“ von Suzuki Roshi bringt genau jene Haltung zum Ausdruck. Bescheidenheit läuft speziell dann Gefahr, verloren zu gehen, wenn wir schon viele Jahre am Meditationskissen oder auf der Yogamatte verbracht haben und unsere Erfahrungen als Lehrer*in weitergeben.
„Bescheiden können nur die Menschen sein, die genug Selbstbewusstsein haben.“ Gabriel Laub
3) Humor
Wenn Humor sich mit tiefer Einsicht und mit Demut verbindet, dann kann er zur besten Antwort gegen unser begrenztes und fehlerhaftes Menschsein werden und gegen den Wahnsinn, den das Leben, der Alltag und die Welt manchmal so mit sich bringen. Humor kann auf überraschende Weise eine zutiefst berührende Verbindung zwischen Menschen herstellen. Und unter gewissen trübseligen und schmerzhaften Umständen kann er als einziger jene Tür öffnen, die Licht ins Dunkel bringt.
Als ich als Mönch die Möglichkeit hatte, Meditation in Gefängnissen von Sri Lanka zu unterrichten – einige Häftlinge waren sogar zum Tode verurteilt – war mir der wichtigste Gradmesser solcher besonderen Begegnungen: Wie sehr konnte ich ihnen in dieser beschränkten Zeit Hoffnung schenken und sie zum Lachen bringen.
„Es gibt wohl nichts, was so gut wie der Humor Spannungen löst, schwierige Situationen entdramatisiert und unsere kleinen Probleme des Alltags relativiert.“ Yves François Patenôtre
4) Akzeptanz
… ist ein spezieller Ausdruck von Gleichmut (Upekkha) und einer der größten Tugenden am spirituellen Pfad. Im Buddhismus wird diese Qualität – neben Freundlichkeit, Mitgefühl und Mitfreude – als eine der vier erhabenen Geisteszustände (Brahmavihara) bezeichnet und als die letzte der sieben Erleuchtungsglieder (Bojjhanga). Wenn ich es in meiner meditativen Praxis von Zeit zu Zeit schaffe, auch das Unangenehme, Unwillkommene, Störende und Ungewohnte zuzulassen, aber auch das Angenehme, Schöne, Liebliche und Gewohnte loszulassen, dann schmiede ich mir dabei eine einzigartige Waffe, um mit den Höhen und Tiefen des Lebens entspannter zurecht zu kommen.
Die acht weltlichen Phänomene (aṭṭha-loka-dhamma) werden jedem vom uns mitgegeben, von der Wiege bis zur Bahre: Glück und Leid, Gewinn und Verlust, Verehrung und Verachtung, Erfolg und Misserfolg. Erst wenn ich es schaffe, mich nicht mehr von diesen beiden Polen ziehen und treiben zu lassen, dann wird beunruhigende Leidenschaft in erhabene Ruhe und innere Zufriedenheit transformiert.
„If you can dream—and not make dreams your master;
If you can think—and not make thoughts your aim;
If you can meet with Triumph and Disaster
And treat those two impostors just the same.“
Rudjard Kipling
5) Vergebung
Wie gerade erwähnt, gehört es zum Leben dazu, dass uns andere – und manchmal sind es sogar unsere engsten Familienmitglieder und Freunde – bewusst oder unbewusst Leid zufügen. Das liegt schlicht und einfach daran, weil die wenigsten Menschen ihre Tendenzen und Schwächen kultivieren oder sogar transzendieren. Erst wenn mir das bewusst ist, besteht die Möglichkeit, das übliche Opfer-Täter-Spiel zu beenden.
Wie leicht werden „Opfer“ zu „Täter und Tyrannen“. Dabei kann ein empathischer Quantensprung dann gelingen, wenn ich in einem „Täter“ einen zutiefst unzufriedenen Mitmenschen oder ein „gebranntes Kind“ erkenne, der sich durch sein unheilsames Verhalten in erster Linie selber schadet. Dann können in mir, statt Wut und Rachegelüste, Vergebung und Wohlwollen aufkommen, die mich aus potentiellen karmischen Verwicklungen befreien.
„Jeder Raum braucht die Weite der Vergebung, um ein Raum des Lebens zu sein. Das Verzeihen, das die Fesseln zertrennt und den Menschen zurück in die Freiheit stellt; die Freiheit die sagt, du musst nicht genügen, denn das, was uns trägt, ist genug.“ Gianna Wedde
6) Dankbarkeit
… ist eine der wichtigsten und mir jederzeit zur Verfügung stehenden Quellen zur Freude. Ich kenne Menschen, die weder besonders reich, noch großartig gebildet sind, aber deren leuchtende Augen der Dankbarkeit bei kleinsten und alltäglichen Dingen mich jedes Mal beeindrucken und anstecken. In der Bedeutung des englischen Wortes „present“ kommt dieser ständige, aber oft verborgene Lebensbegleiter deutlich zum Ausdruck: Jeder Augenblick ist ein Geschenk und jedes Geschenk können wir nur in seiner Gegenwart Wert schätzen.
Es ist relativ einfach, wenn ich mich dankbar für die schönen Lebensmomente und bei all den Mitwirkenden erweise. Die große Lebensreife zeigt sich aber darin, wenn ich einen Schicksalsschlag als einen versteckten Segen und Probleme als einzigartige Chancen erkenne. So haben gerade die unerwünschten Situationen meinem Leben einen so positiven Spinn gegeben, wie ich es niemals zu träumen gewagt hätte.
Erst wenn mir wirklich bewusst wird, dass absolut nichts im Leben selbstverständlich ist und dass alles dem Wandel und schließlich der Auflösung (anicca) unterworfen ist, mein Körper und meine Lebensenergie, meine Gedanken und Gefühle, meine Familie und Freunde, mein Beruf und Besitz, dieser Moment, dieser Tag und dieses Lebensjahr … dann kann eine natürliche und überfließende Dankbarkeit entstehen. Und diese positive Lebenshaltung ist die unversiegbare Quelle für herzliche Fürsorge und ehrliche Wertschätzung.
„Dankbarkeit ist die Spiritualität, die nicht von Religion abhängt. Dankbar leben heißt im Augenblick leben. Das macht Dankbarkeit zu einer spirituellen Praxis. Denn jede Spiritualität will erreichen, dass du hinhorchst, welche Gelegenheit dir das Leben jetzt bietet. Du erweist dich dankbar, indem du diese Gelegenheit annimmst und etwas daraus machst.“ Bruder David Steindlrast
7) Mitgefühl
Eine zutiefst mitfühlende Haltung (Karuna) hat als Grundlage jene Liebe (Metta), die weder Bedingungen stellt noch anhaftet. Die Basis für diese edle Freundlichkeit ist unerschütterliche „Gleich-Gültigkeit“, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sollen aber Mitgefühl nicht mit Mitleid verwechseln. Wenn ich überbordend empathisch bin, kann es sein, dass ich selber zu sehr aus meiner inneren Mitte herausgerissen werde. Das kann sogar so weit gehen, dass die sowieso schon leidende Person auch noch ein schlechtes Gewissen bekommt, dass sie jetzt auch noch für das Leid anderer verantwortlich ist.
Es kann aber auch sein, dass ich meine eingebildete Überlegenheit so geschickt in Mitleid verpacke, das daraus eine Win-Win-Situation für das Ego entsteht. Einerseits werde ich darin bestätigt, dass ich besser als der/die andere bin und andererseits haben andere den Eindruck, dass ich ein großzügiger Wohltäter bin.
„Mitgefühl kann natürlich fliessen, wenn wir die Ängste, Blockaden und Widerstände, die mit ihm zusammenhängen, verstehen und an ihrer Überwindung arbeiten. Mitgefühl ist eines der schwierigsten und mutigsten unserer Motive, aber es ist auch das heiligste und erhebendste.“ Paul Gilbert
8) Großzügigkeit
Je mehr es mir gelingt, eine enge Geisteshaltung und einschränkende Vorstellung von mir, den anderen und der Welt hinter mir zu lassen, umso eher wird eine natürliche Großzügigkeit mein Leben begleiten und bereichern. Im englischen Wortspiel wird das aussagekräftig so dargestellt: „Life’s journey should flow from I, like I-llness, to We, like WE-llness.“
Jeder strebt in erster Linie und letztendlich nach dem Gleichen: Leiden zu beenden und Freude zu erfahren; auch wenn dabei jeder versucht, diese inhärente Spannung und dieses Lebensrätsel auf unterschiedlichste Art zu lösen. Das Gefühl, dass jeder zur Menschheitsfamilie gehört, bewirkt Sympathie und Großzügigkeit mit jedem Menschen, dem ich gerade auf meinem Lebensweg begegne.
Meine innere Großzügigkeit bewirkt eine äußere Großzügigkeit und umgekehrt; meine mentale Großzügigkeit bewirkt eine materielle Großzügigkeit und vice versa. Und mit jedem Akt des Vergebens und Gebens wird mein Leben reicher, stimmiger und freudiger. Diese Bereicherungen und diese Grundlagen der Freude stehen mir in jedem Lebensmoment kostenlos zur Verfügung.
„Im Grunde genommen sind wir Menschen gut. Nicht der Gute ist die Ausnahme, sondern der Böse. Wir sind für das Gute geschaffen. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, zeigen sich die meisten von uns großzügig.“ Desmond Tutu
Begriffe: Demut, Glück, Großzügigkeit, Humor, Mitgefühl