„Stein am Weg, du bist stärker als ich! Baum in der Wiese, du wirst mich überdauern, und vielleicht sogar du, kleiner Himbeerstrauch, und vielleiht sogar du, rosig behauchte Anemone. Einen Atemzug lang spüre ich, tiefer als je, die Flüchtigkeit meiner Form und fühle mich hinübergezogen zur Verwandlung, zum Stein, zur Erde, zum Himbeerstrauch, zur Baumwurzel. An die Zeichen des Vergehens klammert sich mein Durst, an Erde und Wasser und verwelktes Laub. Morgen, übermorgen, bald bin ich du, bin ich Laub, bin ich Erde, bin ich Wurzel.“
Hermann Hesse
„Wenn ich an das Ende meines Weges komme
und die Sonne für mich untergegangen ist,
wünsche ich keine Zeremonien in einem dunklen Raum.
Warum um die Seele weinen, die frei geworden ist;
vermisse mich eine Weile, aber nicht zu lange,
und nicht mit tiefgebeugtem Haupt.
Erinnere dich der Liebe, die uns einst verband.
Traure um mich, aber lass mich gehen.
Das ist eine Reise, ein Weg, den wir alle gehen müssen,
und jeder muss allein gehen, es ist ein Teil von Gottes Plan.
Vermisse mich – aber lass mich gehen.“
Rainer Knirsch
„Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manches Mal
in langer Nacht mit hartem Klopfen störe, –
so ists, weil ich dich selten atmen höre
und weiß: Du bist allein im Saal.
Und wenn du etwas brauchst, ist keiner da,
um deinem Tasten einen Trank zu reichen:
ich horche immer. Gib ein kleines Zeichen.
Ich bin ganz nah.
Nur eine schmale Wand ist zwischen uns,
durch Zufall; denn es könnte sein:
ein Rufen deines oder meines Munds -
und sie bricht ein
ganz ohne Lärm und Laut.“
Rainer Maria Rilke
"Wir würden gerne etwas über den Tod erfahren."
Und der Prophet antwortete: "Ich weiß, das Geheimnis des Todes würdet Ihr gern kennen. Es gibt nur einen Weg es zu finden; schaut in euer Leben.
Ist doch sterben wie nackt im Wind zu stehen und zu vergehen, wie Schnee in der Sonne. Ist doch das Erlöschen des Atems wie das befreit sein vom rastlosen Dahintreiben, damit das Leben emporsteigt, sich entfaltet, um unbelastet Gott zu schauen.
Erst, wenn du vom Fluss der Stille getrunken hast, wird dein Gesang erklingen; erst wenn du den Gipfel des Berges erreicht hast, wirst du aufsteigen, und erst wenn die Erde deine Glieder gefordert hat, wirst du wahrhaft tanzen."
Khalil Gibran
"Wenn‘s wirklich gar nicht anders geht, Wenn mein Schrein schon beim Schreiner steht,
Wenn der so hastig daran sägt, als käm‘s auf eine Stunde an,
Wenn jeder Vorwand, jede List, Ihm zu entgeh‘n, vergebens ist,
Wenn ich, wie ich‘s auch dreh‘ und bieg‘, den eig‘nen Tod nicht schwänzen kann,
Sich meine Blätter herbstlich färben, Wenn‘s also wirklich angeh‘n muß,
Hätt‘ ich noch einen Wunsch zum Schluß: Ich möcht‘ im Stehen sterben.
Wie ein Baum, den man fällt, Eine Ähre im Feld, Möcht‘ ich im Stehen sterben."
Reinhard Mey